Nachdem in vielen anderen Bereichen aufgrund der pandemischen Lage seit über zwei Jahren keine Fahrten im schulischen Rahmen möglich waren, wurde im Mai für 31 Marburger Jugendliche endlich der Traum einer Austauschfahrt nach Frankreich wahr. Zwar hat die Martin-Luther-Schule Marburg im Dezember 2021 eine Gruppe französischer Schüler*innen empfangen, die deutsche Gruppe musste aber erst mehrmals eine Verschiebung der Reise in Kauf nehmen. Umso größer war die Freude der Jugendlichen der Jahrgangsstufen 10, 11 und 12, als sie am 4. Mai um 06:00 vom Georg-Gassmann-Stadion aus endlich losfuhren.
Nach einer 14-stündigen Fahrt, die von Aufregung und Vorfreude geprägt war, kamen alle wohlbehalten bei ihren Gastfamilien an – die Schüler*innen der Jgst. 11 kannten ihre Austauschpartner*innen bereits von dem vorweihnachtlichen Besuch, während 14 Schüler*innen der Jgst. 10 ihre Partner*innen erst vor Ort kennenlernten.
In Poitiers erwartete die Gruppe, die erst von Frau Rinn und Herrn Kind, und ab Sonntag, dem 08. Mai auch von Frau Schmidt begleitet wurde, ein buntes Programm: in den ersten zwei Tagen wurde das Augenmerk auf das Kennenlernen der Oberstufenschule gelegt. Durch unterschiedliche Aktivitäten (wie die „opération typique“, bei der die französischen Schüler*innen einen Gegenstand, eine Redewendung oder eine kulinarische Spezialität auf Deutsch vorstellen), den Empfang durch die Schulleitung und einige Stunden Unterrichtshospitation gewannen die Schüler*innen interessante Einblicke in das französische Schulleben. Insbesondere beim gemeinsamen Volleyballspiel in den Pausen kamen sich die deutschen und die französischen Austauschschüler*innen näher und überwanden spielerisch die Grenzen zwischen Jahrgangsstufen und Herkunftsländern.
Auf ein entspanntes und sonniges Wochenende in den Gastfamilien folgte eine ereignisreiche Woche: Neben dem feierlichen Empfang im geschichtsträchtigen Rathaus von Poitiers und einer aufregenden Stadtrallye am Europatag, einer Fahrt nach La Rochelle (mit Besuch im Aquarium, kleiner Bootsfahrt durch den Hafen, Baden im Meer und einer Stadtbesichtigung), und einem freien Tag aufgrund von Abiturprüfungen konnten die Schüler*innen am Donnerstag den einzigartigen Freizeitpark „Futuroscope“ besuchen. In futuristischen Kulissen tauchten die Schüler*innen in 3D, 4D und 5D Filme ein und erkundeten so immersiv und adrenalingeladen die Welt des französischen Films.
Ganz im Zeichen von Naturbegegnungen verbrachten die Schüler*innen ihren letzten Tag in Poitiers: Nach einer langen Wanderung und einem Sportnachmittag am Fluss, der in einem gemeinsamen Abschlusspicknick mündete, begeisterte ein Falkner die Gruppe: In einer besonders tierischen Begegnung näherten sich die Schüler*innen der französischen Fauna an. Nachdem sie viel Interessantes über das Leben und die Aufzucht von Uhus erfahren hatten, konnten die beiden fliegenden Berühmtheiten (einer der beiden hatte eine tragende Rolle in einem Harry-Potter-Film gespielt) auch angefasst und auf den Arm genommen werden. Ein besonders unvergesslicher Abschluss der gemeinsamen Zeit in Poitiers!
Am Samstag, den 14.05. ging es dann morgens gemeinsam mit dem Reisebus nach Marburg zurück, wo ab Montag, 16.05. die Deutschen das Vergnügen hatten, ihren Partner*innen die Stadt und ihre Schule zu präsentieren. Durch Unterrichtshospitationen und eine Schulführung lernten die französischen Gäste ein Schulleben kennen, das so ganz anders ist als das, was sie bisher kannten. Die Schulleiterin, Frau Biedebach, hieß die Gruppe mit ihren beiden Lehrerinnen Frau Combes-Bardoll und Frau Jodet bei einem Frühstücksbüffet in der Cafeteria willkommen. Direkt danach ging es mit der Bahn nach Gießen zum Mathematikum. Dienstag und Donnerstag waren der Besichtigung zweier hessischer Großstädte gewidmet, nämlich Frankfurt und Kassel. Während am Dienstag die deutschen Schüler*innen und ihre Partner*innen bei Kaiserwetter den Ausblick vom Maintower, das Stadtzentrum (Paulskirche, Römer, Neue Altstadt) und das Kommunikationsmuseum entdeckten, erkundeten am Donnerstag die Franzosen die Stadt Kassel und vor allem die Grimmwelt alleine.
Auf eine sportliche Rallye durch die Marburger Altstadt am Mittwochvormittag folgte der Empfang im historischen Saal des Rathauses durch Stadträtin Frau Dinnebier, die die Geschichte Marburgs anriss und anschließend auf die Philosophie der Stadt einging, die sich durch Gleichberechtigung, Jugendförderung, Ökologie und Bürgerbeteiligung auszeichnet. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Rede lag auch auf der Bedeutung der Partnerschaft zwischen Poitiers und Marburg, in deren lange Geschichte sich dieser besondere Austausch zwischen unseren beiden Schulen einreiht und die er selbst seit Jahren mitprägt.
Wie bei jeder Austauschfahrt üblich haben sich die Schüler*innen mit einem interkulturellen Projekt auseinandergesetzt und in Gruppen an zwei verschiedenen Themen gearbeitet: die Oberstufenschüler*innen setzten sich vertieft mit den Ergebnissen der kürzlich abgehaltenen Präsidentschaftswahlen in Frankreich und ihrer Rezeption in der Schule auseinander und näherten sich einem Verständnis des Wahlergebnisses und seiner Konsequenzen für das gesellschaftliche und schulische Zusammenleben durch Interviews mit Schüler*innen und Gasteltern an. Ihre interessanten Erkenntnisse stellten sie in Diagrammen, als fiktive Zeitung und als Podcast dar. Besonders gelungen war auch das Projekt der Zehntklässler*innen: In Zusammenarbeit mit ihren französischen Partner*innen bereiteten sie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Schulsysteme in beiden Ländern, durch Interviews und Recherchen vorbereitet, als unterhaltsame Show auf. Dieser „bunte Abend“ am 23.05., der in zwei Sprachen präsentiert wurde, stellte den Abschluss der gemeinsamen Zeit dar. Dazu eingeladen wurden die Schüler*innen der Jahrgangsstufen 5 und 6, die selbst Französisch als erste Fremdsprache lernen und so eine unterhaltsame und lehrreiche Doppelstunde erleben durften. Besonders hervorzuheben ist das Engagement aller Beteiligten, die bearbeiteten Themen lebendig und für jede*n greifbar darzustellen.
Nach ereignisreichen drei Wochen verabschiedeten sich alle bei Regenwetter am Marburger Bahnhof am Dienstag, dem 24.05. Vielleicht folgen im Sommer Besuche bei den neuen Freund*innen?