Sonntagmorgen, Acht Uhr, Marburg Hauptbahnhof. Trotz der frühen Stunde am Wochenende sind Schüler wie Eltern gleichermaßen froh gestimmt, denn die Abreise rückt näher. Mit Koffer und Rucksack, Reisekissen und Proviant ausgestattet, wird die Aufregung immer größer. Der erste Dämpfer jedoch lässt nicht lange auf sich warten, denn schon nach wenigen Minuten am Gleis wird klar: Der Zug fällt aus. Nach anfänglicher Enttäuschung und berechtigter Empörung seitens Eltern und Schülern, wird die Abreise zwei Stunden nach hinten verschoben.
Schließlich wieder am Gleis stehend sind die Gemüter wieder milder gestimmt, die Vorfreude gewinnt erneut die Oberhand. Das nächster Hindernis entpuppt sich als Sitzordnung, denn die vorherige Reservierung konnte natürlich nicht mehr beansprucht werden. Mit der einen Hälfte in den Waggons verteilt, der anderen am Boden wartend, macht sich der Zug schließlich auf in Richtung Hamburg, die Erleichterung ist groß, wenigstens machen wir uns jetzt auf den Weg nach Kopenhagen.
Mit zwei Umstiegen und ewiger Wartezeit kommen wir schließlich gut zwei Stunden später als geplant in Dänemark an, wedelnde Fahnen in den Händen unserer Gastfamilien weisen den Weg. Bloß eine letzte, verhältnismäßig kurze Zugfahrt trennt uns noch vom neuen Zuhause, die Minuten verstreichen durch die angeregten Gespräche in Windeseile. Erste Freundschaften werden geschlossen, dänische und deutsche Vokabeln ausgetauscht und unser Englisch auf einen harte Probe gestellt. Am Bahnhof trennen sich schließlich unsere Wege, Klassenkameraden ziehen ihren Koffern den Austauschschülern hinterher.
Auch wenn der erste Abend größtenteils im Zug verbracht wurde, so kommen Hausführungen und ein Treffen mit Familienmitgliedern nicht zu kurz. Trotzdem ist wohl jeder Einzelne froh, als sich der Tag endlich dem Ende zuneigt und ein gemütliches, wenn auch fremdes Bett wartet.
Doch eine lange Erholung bleibt nicht, denn schon am nächsten Morgen klingelt der Wecker früh, um das erste offizielle Treffen in der Schule nicht zu verpassen. Freundlich werden wir auch hier von den Lehrern begrüßt, sogar einige deutsche Sätze werden ausgetauscht. Nach einer kurzen Willkommensrede der Schulleiterin beginnt das Programm für den Vormittag, Kennlernspiele und Lagerfeuer. Kurz herrscht Verwirrung, denn es scheint in Dänemark normal zu sein, die Lehrer mit ihren Vornamen anzusprechen. Nach einer ungläubigen Diskussion wurde schließlich ausgemacht, den deutschen Schülern zu erlauben, dies auf unsere Lehrer zu übertragen, zumindest für die Länge des Austauschs. Jedoch fühlt sich diese neue Regelung so ungewohnt an, dass sich kaum einer diesem Angebot nachgeht.
Doch die Anrede von Autoritätspersonen ist nicht mehr lange von Bedeutung, denn durch das Programm vergehen die Stunden schnell und ehe wir es uns versehen, erklingt bereits der Gong und entlässt uns in einen terminlosen Nachmittag. Sofort ergreifen die Austauschschüler die Initiative, zeigen uns das Dorf oder laden zum Fußball ein,
Kuchenbacken bei Freunden oder Filmabend mit der Familie. Auch nach diesem Montag sind allesamt nach wenigen Sekunden in einen tiefen Schlaf gefallen.
Die Morgen in der Schule ähneln sich, dass restliche Programm könnte unterschiedlicher nicht sein. Der Dienstag führt uns alle nach Kopenhagen, Sehenswürdigkeiten wie die kleine Meerjungfrau, das Königshaus und ein Architekturmuseum, die Sonne veranlasst die meisten Schüler, sich ihren Jacken zu entledigen. Zum ersten Mal kommen wir in den Genuss, mit dänischen Kronen zu bezahlen, doch die Siebenerreihe scheint allen im Gedächtnis geblieben zu sein.
Aber Kopenhagen ist groß, und so führt uns der Weg am Mittwoch erneut in die Hauptstadt. Startpunkt bildet dabei das Copenhill, eine Müllverbrennungsanlage, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt und verschiedene Freizeitangebote am Gebäude zur Verfügung stellt. Nach einer Tour auf Englisch und Reifenrutschen am Hang sind wir schließlich in Kopenhagen auf uns allein gestellt. In Dreiergruppen dürfen wir die Straßen erkunden, bewundern Statuen und die alten Gebäude, kaufen uns in unterschiedlichsten Läden die Taschen voll. Dänische Süßigkeiten, Souvenirs und Klamotten, es gibt Bedenken, ob die Koffer sich bei der Abreise wieder schließen lassen. In der Schule erwartet uns nach diesem langen Tag eine nette Überraschung, die Gasteltern haben ein Büffet vorbeireitet und gemeinsam lassen wir den Abend bei selbstgekochtem Essen und gemütlicher Stimmung ausklingen.
Der letzte Tag unseres Austausches ist viel zu schnell erreicht, mit kreativen Bildern verewigen wir uns in der Schule. Den letzten gemeinsamen Mittag verbringen wir mit Bowling und Minigolf, der Sportlehrer der dänischen Schüler beweist, warum er seinen Beruf gewählt hat. Am Abend gibt es noch ein Treffen zum Abschied im Jugendclub der Schule, mit Tischtennis, Computerspielen und Filmgucken verbringen wir unvergessliche Stunden.
Am Freitagmorgen mischen sich Vorfreude auf Zuhause und Abschiedsschmerz, letzte Geschenke und Umarmungen, bis der Zug pünktlich in den Bahnhof einfährt und wir die dänischen Schüler winkend in ihrer Heimat zurücklassen. Es ist beinahe garantiert, dass wir unsere neuen Freunde in den nächsten Monaten vermissen werden, denn erst im Juni werden wir sie in Deutschland begrüßen können. Doch somit haben wir wenigstens Etwas, auf das wir uns gegen Ende des Schuljahres freuen können. Und bis dahin ist das Handy auch ein guter Anfang.