Interview von Lias Schwab (8c) mit dem ehemaligen Kanzleramtsminister und MLS-Schüler Friedrich Bohl (CDU) vom 10.07.2024.
Lias Schwab: Guten Tag Herr Bohl, meine erste Frage lautet: Wie fanden Sie es denn an der MLS?
Friedrich Bohl: Eigentlich sehr gut. Ich bin von 1955 bis 1964 auf die Martin-Luther-Schule gegangen und war ein so genannter Fahrschüler, weil meine Eltern in Kirchhain wohnten und Kirchhain zu der Zeit noch kein Gymnasium oder eine Gesamtschule hatte. So musste ich mit fünf weiteren Kameraden – es war ja damals eine reine Jungenschule – jeden Tag nach Marburg fahren und allein die Fahrt hin und zurück war schon immer ein Erlebnis. Der Fußmarsch vom Hauptbahnhof über den Krummbogen in die Savignystraße war immer erlebnisreich und die Schule selbst auch. Ich habe mich sehr wohlgefühlt und wollte eigentlich keinen Tag missen.
Lias Schwab: Was war denn Ihr Lieblingsfach?
Friedrich Bohl: Lieblingsfach war Geschichte, und zwar bei Dr. Krause. Dr. Krause war auch Deutschlehrer und machte zudem Gesellschaftslehre, diese drei Fächer hatte er bei uns in der Oberstufe jedenfalls – der hat mich sehr geprägt und auch das Interesse an Geschichte und historischen Zusammenhängen geweckt und das hat mich sehr interessiert und hat mit Abstand bei mir an der Spitze gestanden. Ich bin noch heute geschichtlich sehr interessiert und lese viele Biografien und sonstige historische Bücher. Dr. Krause war übrigens der Vater der späteren Marburger Universitätspräsidentin, Prof. Katharina Krause.
Lias Schwab: Hat Sie an der MLS etwas für Ihre spätere Laufbahn geprägt oder inspiriert?
Friedrich Bohl: Ja, das würde ich schon sagen. Insbesondere natürlich Geschichte und Sozialkunde, oder wie das damals hieß, so genau weiß ich nicht mehr. Wir hatten in der Klasse auch sehr diskutierfreudiges und engagiertes Publikum, also Kollegen oder Schulkameraden. Ich war, sagen wir mal, mehr in Richtung CDU, also konservativ, orientiert, ein Kollege, mit dem ich heute noch freundschaftlich verbunden bin, war sehr liberal orientiert und zwei waren der SPD zugeneigt oder SPD-affin. Der eine war Thomas Naumann, der Jüngste bei uns in der Klasse, der später stellvertretender Landrat hier in Marburg Biedenkopf war, und der andere war Jochen Wölk, der später Oberstaatsanwalt hier in Marburg war. Es waren immer sehr anregende Diskussion mit sehr viel Respekt und gegenseitiger Wertschätzung. Wir hatten immer ein gutes Zusammengehörigkeitsgefühl in der Klasse gehabt und haben bis heute eine enge Freundschaft. Im März diesen Jahres haben wir unser 60 jähriges Abiturjubiläum gefeiert und die MLS einmal mehr gemeinsam besichtigt. Das alles war für mich sicherlich ein starkes Motiv, parteipolitisch aktiv zu werden. Ich bin 1963 Mitglied der Jungen Union geworden, wurde Vorsitzender der Jungen Union in Kirchhain und bin dann im Herbst 1963 in die CDU eingetreten und in beiden Organisationen wäre ich noch heute, wenn ich könnte, aber aus der Jungen Union musste man ja mit 35 austreten. In der CDU bin ich noch heute.
Lias Schwab: Wie war es denn, mit dem Bundeskanzler zu arbeiten?
Friedrich Bohl: Ich kann natürlich jetzt nur von Helmut Kohl berichten, weil ich nur mit dem so eng zusammengearbeitet habe. Ich habe zwar alle Kanzler kennengelernt, aber natürlich Helmut Kohl am intensivsten. Und Helmut Kohl war ein sehr belesener Mann, war gar nicht, wie man das so allgemein denkt, einer, der mehr mit dem Bauch, mit dem Gefühl Politik gemacht hat. Er war früher Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und Oppositionsführer und hatte schon eine lange politische Karriere hinter sich. Man fällt ja nicht vom Himmel herab und ist auf einmal Bundeskanzler. Man lernt in der Politik, aber auch im Leben vorher sehr viel, und Helmut Kohl war ein sehr abwägender Mann und die Zustimmung, die er gerade bei der Wiedervereinigung von den westlichen Regierungen erhalten hatte, oder auch das Vertrauen, das er mit Gorbatschow aufgebaut hat, das spricht ja für seine Kenntnisse, seine Fähigkeiten und sein Geschick und das hat er natürlich auch im sonstigen politischen Alltag gehabt. Ich konnte mich jedenfalls auf ihn immer verlassen und er war auch immer für einen Rat oder einen Hinweis dankbar. Natürlich ist er kein Mann gewesen, der seine Meinung oder sein Fähnchen im Wind hat wehen lassen. Er hatte immer schon eine feste Überzeugung und wenn man ihn davon abbringen wollte – und das musste man ja manchmal – dann war das auch Schwerstarbeit, ihn zu überzeugen. Aber er ließ sich auch umstimmen und überzeugen. Und ich bin ja 7 Jahre Kanzleramtsminister gewesen und in den 7 Jahren habe ich viel erlebt und habe eigentlich den größten Respekt vor Helmut Kohl.
Lias Schwab: Was machen Sie denn heute noch in der Politik und wie engagieren Sie sich?
Friedrich Bohl: Naja, heute ich bin 79 Jahre alt, nächstes Jahr werde ich 80 und da ist es einfach richtig, dass die nächste Generation das Zepter in die Hand nimmt und vielleicht nochmal auf den Rat meiner Generation hört, aber nur wenn sie will. Ich bin noch Ehrenvorsitzender der CDU Marburg-Biedenkopf, Träger der Alfred-Dregger-Medaille in Gold, bin noch in der Konrad Adenauer Stiftung, stellvertretender Vorsitzender im Ehrenrat – also ich bin noch ein bisschen in der Politik, aber ich stehe nicht mehr an vorderster Front und das will ich auch gar nicht mehr, denn jetzt ist eine andere Generation dran. Ich finde, wenn man über 70 ist, ist man im Rentenalter und das sollte dann auch für die Politik gelten.
Lias Schwab: Ich danke Ihnen vielmals für das Interview.
Friedrich Bohl: Gerne