Marburg. Der Slam-Poet Lars Ruppel wurde am Donnerstag gleich zu vier achten Klassen in eine besondere Deutschstunde in die Aula der Martin-Luther-Schule eingeladen. Lediglich mit einem Mikrofon bewaffnet, fand der Frontkämpfer für die Poesie schnell Zugang zu seinem jungen Publikum, was ganz und gar gegen den poetischen Moment im Schulalltag eingenommen zu sein schien.
Spezielle Übungen für Hände („…sind das sichtbare Gehirn!“) und Gesichtsmimik („…die spricht auch, wenn die Hände grad’ in der Tasche sind…“) ließen das Eis schnell schmelzen. Spätestens beim „Wop-Wop-Schwur“ war den Deutschlehrerinnen Gudrun Reuther, Miriam Nieser, Klaudia Vehlies und Birgit von Bargen klar, dass der Slamer die Kids vollends um den Finger gewickelt hatte. Jetzt konnte die eigentliche Arbeit beginnen. Gestartet wurde mit einer Story, auf deren groben Inhalt man sich einigte. Es sollte eine Liebes-Horror-Geschichte sein, deren Protagonist ein Frosch war, der am Ende (und nur das war wirklich sicher) zu sterben hatte. Alle 120 Schülerinnen und Schüler fügten der Story jeweils ein Wort hinzu und es entwickelte sich ein zunehmend virtuoses Sprachgebilde, was neben dem schwierig aufrecht zu erhaltenden Hauptplot so manche Abzweigung in unvollendet gebliebene Nebenstorys machte. In Fällen aufkeimender Albernheit konterte der Poet mit einer gehörigen Portion ‘wahrheitsgemäßer Lehrer-Rückmeldung’, was zur Freude aller Teilnehmer unsachliche Beteiligungen schnell verstummen ließ.
Der schwierigere Teil des Workshops kündigte sich an, als es hieß: „Holt Papier und Stift ‘raus“. Im Synonym-Battle mussten Synonyme für Verben, Adjektive und Nomen gefunden werden und es wurde schnell klar, dass Assoziationen aus dem Wortfeld nicht das Gleiche sind. Da war sie, die Deutschstunde, von der sich die Schüler bereits so weit weg wähnten. Jeder weitere Schritt zur individuellen (Slam-)Poesie wurde von Ruppel mit sprühendem Sprachwitz altersgerecht angeleitet. Gut gelungen waren die Beiträge der Work-shopteilnehmer, die ihre Ergebnisse vor dem gespannten Auditorium zum Besten gaben. Mit einer kurzen Kostprobe eigener Werke endete Ruppels Deutschstunde. Mit seiner Ballade „Holger die Waldfee“ fesselte er sein Publikum an den Ohren und zeigte, was man von einem erstklassigen Slam-Poeten zu erwarten hatte! Das positive Fazit: Ein ergiebiger Workshop zu einem Thema, dem sich Schülerinnen und Schüler diesen Alters sonst sicher nicht mit Freudentränen in den Augen nähern.
Von Betina Griesel